Über die Befreiung der Arbeit
Die Debatte um die Automatisierung ist von großem Pessimismus geprägt. Das zeugt von einem tiefschwarzem Menschenbild – und es verhindert, die historische Chance zu erkennen. Foto: PanchoS/ WikiCommons
Vom DM-Gründer Götz Werner stammt das Zitat „Der Mensch hat die fünfte Schöpfung geschaffen – nämlich die Maschinen.“ Die Automatisierung, die seit Beginn der Industriellen Revolution immer weiter voranschreitet, hat die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, weitreichend verändert. Auch in den nächsten Jahren wird sich dieser Trend nicht aufhalten lassen.
Und es kommt noch etwas Weiteres hinzu: Künstliche Intelligenz – in nahezu allen Branchen werden Roboter die Aufgaben der Menschen übernehmen. Laut einer Studie von McKinsey fallen bis 2055 48% aller Arbeitsplätze in Deutschland der Automatisierung zum Opfer. Höchste Zeit also darüber nachzudenken, was nach der Arbeit kommt. Vielleicht die Auszahlung eines Bedingungslosen Grundeinkommens?
Keine Arbeit, aber genügend Wertschöpfung, um jeden versorgen zu können? So schön diese Vision zunächst klingt, so kritisch wird sie von vielen bewertet. Eine Gesellschaft, in der nur konsumiert, nicht gearbeitet werde, sei dekadent, dies alles führe zu Faulheit, ja zu Verblödung.
Denn: warum solle man überhaupt noch ein Interesse daran haben, seine Kinder zur Schule zu schicken, wenn das Gelernte am Schluss doch eh nicht gebraucht werde. Und schließlich: Was bliebe vom Menschen erhalten, wenn er nicht mehr frühmorgens aufstehen müsste, um gemeinsam mit anderen seine Brötchen zu verdienen.
Hat Arbeit nicht vorrangig auch eine sozialisierende, eine identitätsstiftende Funktion?
«Der Bildung kann es nur gut tun, sich von der Effizienzlogik des Arbeitsmarkts zu befreien»
Der Vorwurf der Verblödung kann nur dann aufrechterhalten werden, wenn man Bildung als Mittel für einen reichlich banalen Zweck betrachtet: Dem Zweck, seine Rolle als Rädchen in einem gigantischen arbeitsteiligen Uhrwerk auszufüllen. Doch bedeutet sie nicht weit mehr als das?
Der große Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz betrachtete Bildung als Zugang zum „letzten Zweck der Glückseligkeit“. Der Bildung, so meine These, kann es nur gut tun, sich von der Effizienzlogik des Arbeitsmarkts zu befreien. Ihr Wert wird sich gerade dann entfalten, wenn Wissen nicht mehr an die Frage gebunden ist, ob damit der Lebensunterhalt sichergestellt werden kann.
Man könnte sich nun den Zusammenhängen des menschlichen Daseins annähern, anstatt sich nur auf das Teilgebiet zu beschränken, das für die berufliche Laufbahn von Interesse ist. Die Triebfeder menschlicher Innovationskraft liegt gerade in diesem Freidenkertum, nicht in der Reproduktion hinlänglich bekannter Rituale.
Ironischerweise hat sich die Vorstellung durchgesetzt, nicht durch den Geist, sondern durch Arbeit könne man Selbstverwirklichung erlangen. Doch, ob Putzkraft oder Manager, so ist es doch gerade ein Merkmal von arbeitsteiligen Prozessen, austauschbar zu sein.
In der Arbeit wird der Mensch lediglich auf seinen wertschöpfenden Nutzen reduziert, der Geist macht ihn dagegen in seiner ganzen Autonomie unsterblich. Mozart, Goethe, Kant oder eben Leibniz haben dies bewiesen.
Eine Zukunft mit Robotern und Bedingungslosem Grundeinkommen bietet uns allen die Möglichkeit, „heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden“, um mit Karl Marx zu sprechen.
Es ist somit die Chance, sich auf die eine, wesentliche Frage zu konzentrieren: Was bedeutet es eigentlich, Mensch zu sein?