Über den Stolz des Außenseiters

Der Künstler Kurt Prödel schreibt jetzt auch einen Roman. Erschienen in der ZEIT, Foto: ChristianaT./Pixabay

Seit einigen Jahren finden sich Lektoren in der undankbaren Rolle wieder, ihre Autoren dazu motivieren zu müssen, sich doch bitte einen Social-Media-Account zuzulegen. Follower gleich Aufmerksamkeit gleich verkaufte Bücher, so die Rechnung. Als Abkürzung könnte man nun auf die Idee kommen, direkt auf eine Internet-Berühmtheit zurückzugreifen. So geschehen etwa vor zwei Jahren beim Debütroman des Twitter-Clowns Sebastian “El Hotzo” Hotz. Die Satire Mindset fiel bei den meisten Kritikern durch. Seitdem stellt sich die Frage: Können diejenigen, die das auf schnelle Pointen ausgerichtete Internetgame beherrschen, auch gute Bücher schreiben? 

Den nächsten Versuch wagt nun Kurt Prödel mit seinem literarischen Debüt Klapper. Prödel, ein Künstlername, ist heute vor allem Musiker, wurde wie Hotz aber vor einigen Jahren für seine ironischen Twitter-Kommentare bekannt. In Klapper erzählt er von dem Teenager Thomas, einem Nerd und Außenseiter, der im Jahr 2011 die gesamten Sommerferien damit verbringt, seine Schule beim Ego-Shooter Counter Strike nachzubauen. Weil die Gelenke des “defekten Teenager-Körpers” bei jeder Bewegung knacken, wird er von seinen Mitschülern “Klapper” genannt. Eines Tages kommt ein groß gewachsenes, sehr selbstsicheres und den Rapper Kollegah verehrendes Mädchen neu in seine Klasse. Sie stellt sich als “Bär” vor und nimmt neben Klapper Platz. Der Beginn einer ungleichen Freundschaft.

Was macht einen gelungenen Tweet aus? Die Fähigkeit, die kleinen (pop-)kulturellen Distinktionsmerkmale, die wir im Alltag eher unbewusst reproduzieren, so zu überzeichnen, dass sie für alle sichtbar werden. Genau hierin liegt die Stärke von Klapper. Prödel entwirft eine Phänomenologie der frühen Zehnerjahre: von Slayer-Shirts tragenden Nerds, die sich Axe Africa unter die Achseln sprühen, bis zu pseudocoolen Papas in bunten Hemden, die Sharan fahren und auf die Dire Straits stehen. Das ist witzig, weil diese Charakterisierungen bei aller Klischeehaftigkeit auch ein bisschen wahr erscheinen. 

Und sonst? In einem Interview mit dem Deutschlandfunk gesteht Prödel, dass er selbst sehr selten Bücher lese. Beim Schreiben wollte er aber auch vermeiden, ins “Intellektuelle” zu rutschen. Um nicht zu viel nachzudenken, verwendete er daher die App Flowstate. Die löscht den gesamten Text, mit dem man die letzten zwanzig Minuten beschäftigt war, sollte man einmal für drei Sekunden nichts eintippen. Der Flow, in den er kam, habe ihm ermöglicht, das Buch innerhalb von fünf Monaten fertigzustellen, sagt er. 

Diese Gehetztheit merkt man dem Text an. So gut wie jedem Adjektiv wird etwa das Präfix knall- vorgeschoben. Butterblumen sind “knallgelb”, Haare “knallblond”, Werbung “knallbunt”. Räume dagegen machen grundsätzlich einen “sterilen” Eindruck, was meist mit dem Licht irgendwelcher Deckenleuchten zusammenhängt.

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