Über jahreszeitwunschloses Glück auf Sizilien
Schneewandern auf dem Ätna, danach Baden im Meer: Kann man auf Sizilien Winter- und Sommerurlaub gleichzeitig machen? – Die ZEIT
Die Januarsonne taucht das Meer in ein silbernes Licht, als ich meine ersten Schwimmzüge mache. 16 Grad misst das Wasser um diese Jahreszeit auf Sizilien, eisige 16 Grad, und so rebellieren meine Muskeln, und sie verkrampfen; meine Atmung stockt. Doch nach wenigen Minuten entspannt sich mein Körper, mir wird wärmer – fast kann ich mir vorgaukeln, dass Sommer ist. Kein sizilianischer Sommer zwar, dazu ist er nicht prall und aufdringlich genug. Aber ein weicher skandinavischer.
Ich blicke mich um: Kakteen und Palmen recken sich der Sonne entgegen, der Strand ist menschenleer, ein Kätzchen wälzt sich in der Vulkanasche. Gluckernd schwappt das Wasser in die Ritzen zwischen den Felsen. Doch in der Ferne erhebt sich gewaltig der Ätna, die “launische Dame”, wie die Sizilianer den Vulkan nennen. Meist trägt diese Dame ihr schwarzes Kleid aus Vulkanit. Manchmal wechselt sie auf Rot, wenn heiße Lava die Hänge herunterrinnt. Heute aber hat sie eine weiße Mütze: Auf dem Ätna liegt Schnee. Dort will ich morgen hinauf, zum Skifahren – raus aus dem Sommer, mitten hinein in den Winter.
Die Jahreszeiten und ich, das ist so eine Sache: Ich liebe den Winter – den Kontrast aus Kälte und dampfenden Heißgetränken, aus Dunkelheit und hellen Lichtern. Und das Knistern im Ofen, wenn ich nach einem langen Tag von der Skipiste nach Hause komme. Ich liebe aber auch den Sommer, wenn es nach Blumen, Gegrilltem oder Sonnencreme riecht.
Doch egal, ob gerade Sommer oder Winter ist – es müssen nur wenige Wochen vergehen, schon sehne ich mich nach dem Gegenteil. Wenn sich der Winter nach Weihnachten träge durch den Matsch schleppt, dann wünsche ich mir Wärme und Leben. Und wenn ich im Hochsommer mit Sonnenbrand und schweißverklebten Haaren dasitze, sehne ich mich nach frischer Winterluft, die mir einmal den Kopf kühlt.
Lange dachte ich, dass das eben so sei: Man will immer das, was man nicht haben kann. Doch dann machte ich vor dreieinhalb Jahren Sommerurlaub auf Sizilien. Als ich damals mit der Seilbahn auf den Ätna fuhr, entdeckte ich: Skilifte! Von Januar bis April könne man hier Ski fahren, erzählte man mir. Mit dem rauchenden Schlot im Rücken wedele man die Piste hinunter, dem Meer entgegen, in das man später einfach hineinspringen könne. Winter und Sommer nebeneinander, sodass man hin und her wechseln kann, dachte ich. Jetzt bin ich wieder hier, um herauszufinden, ob ich auf Sizilien jahreszeitenwunschlos glücklich werde.
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