Über atemberaubende Vielfalt am Balkan
Montenegro erfüllt jeden Urlaubswunsch: Das kleine Land bietet Berge, Meer, Seen, Fjorde und Chalets, die nach St. Moritz aussehen – Die ZEIT
Da waren wir also, in diesem Bergdorf namens Seoca unweit der albanischen Grenze. Wir irrten vorbei an verfallenen Bauernhäusern, an Waschmaschinen, die am Straßenrand entsorgt worden waren. In der Pension hatte man meiner Freundin und mir erzählt, der Blick auf den See bei Sonnenuntergang sei wunderschön – aber wir fanden den Weg einfach nicht. Doch da hörten wir ein Knattern, ein verbeulter Ford Fiesta kam auf uns zu, und ich erkannte das Auto: Tatsächlich war es Nikolaj von der Pension. Wir setzten uns auf die Rückbank, bretterten die Serpentinen hinunter, wie wir in den nächsten Tagen noch viele Serpentinen hinunterbrettern würden – und dann tauchte er auf: der Skutarisee. Der größte See Südeuropas, einsam und gewaltig und wunderschön. Im Abendlicht sah es aus, als spiegelten sich die zahllosen Felseninseln im Bergpanorama bis ins Unendliche. “Habe ich euch zu viel versprochen?”, fragte Nikolaj.
Montenegro, das begriffen wir schon am Tag unserer Ankunft, ist ein Land der Sensationen – und der Pensionsbesitzer, die einem helfen, die Sensationen zu finden. Eines der vielleicht letzten Abenteuer Europas, das dort beginnt, wo für viele Balkanurlauber die Reise gewöhnlich endet: südlich der heillos überlaufenen Game of Thrones-Stadt Dubrovnik, ein Stück weiter die Adria runter.
Eigentlich sind wir hier, weil wir uns bei der Urlaubsplanung nicht einigen konnten. Ich wollte in die Berge: Wanderungen auf einsamen Pfaden, Gipfeltouren mit Endorphinrausch, danach im See erfrischen. Meine Freundin beharrte auf dem Meer – das Wellenrauschen, so schön! Bevor unser gutbürgerlicher Streit eskalierte, erinnerte ich mich, dass mir ein Freund von einem Land namens Montenegro erzählt hatte, das kaum jemand kannte, in dem es aber anscheinend alles auf einmal gab: Berge, Fjorde, Seen, Strände. Wir beschlossen, den Versuch zu wagen. Auch wenn ich mich fragte, ob ein Kompromiss nicht immer eine halbe Sache bleibt. Bekommt man am Ende nichts Richtiges, wenn man von allem etwas will?
Weiterlesen: