Über die Probleme des Älterwerdens
Die ehemalige Anti-Parteien-Partei ist erwachsen geworden. Nun befinden sich die Grünen in einer Identitätskrise: Sind sie selbst so spießig wie ihre einstigen Gegner?
Im März 1983 war im Deutschen Bundestag nichts mehr wie zuvor. Selbst Helmut Kohl konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er als neugewählter Bundeskanzler anstatt der obligatorischen Blumen einen verdorrten Tannenzweig überreicht bekam – ein Hinweis auf das Waldsterben, das in dieser Zeit in Deutschland grassierte. Die Gratulantin hieß Marieluise Beck, und auch wenn es ihr frecher Kurzhaarschnitt und der pinke Schlabberpulli nicht vermuten ließen, war sie seit kurzem Abgeordnete des Bundestages. Sie gehörte zu einem wilden Haufen aus Pazifisten, Feministinnen, Linken und Umweltschützern, der bei der zurückliegenden Wahl sensationell 5,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte: Dieser Haufen waren die Grünen.
Mit teils langen Bärten, wallenden Mähnen, Blumentöpfen und selbstgestrickten Wollpullis trugen sie den Duktus des Unkonventionellen in die Politik. Die politischen Forderungen rieben sich am verstaubten Zeitgeist des politischen Establishments der 1980er Jahre.
In Erinnerung bleibt das schallende Gelächter des Plenums, als Petra Kelly die Forderung stellte, Vergewaltigungen in der Ehe sollten strafbar werden. Alleine gegen alle anderen, so wirkte es damals. Das machte vieles schwierig, aber die Welt doch übersichtlicher: solange die Fronten geklärt waren, glaubte man auf der richtigen Seite zu stehen – denn auf der anderen Seite standen die Spießer.